Kapitel 5 des Mediationsergebnisses zwischen Klimawende Köln, RheinEnergie und Stadtverwaltung

Wir möchten an dieser Stelle nur das Verhandlungsergebnis bezüglich der Transformation der Wärmeversorgung der Stadt Köln und insbesondere bei der RheinEnergie und der Fernwärmeversorgung im Wortlaut darstellen. Die Hervorhebungen im folgenden Text stammen von der Klimawende Köln.
Das vollständige Mediationsergebnis steht hier zum Download bereit.

5 Dekarbonisierung der Wärmeversorgung

Die Transformation der Wärmeversorgung stellt eine weitere große Herausforderung der Energiewende dar. Dies liegt insbesondere an den multiplen Eigentümerstrukturen von Liegenschaften und Gebäuden, an dem Zustand sowie der geringen Sanierungsquote des Gebäude- und Wohnungsbestands samt ihren Wärmeversorgungsinfrastrukturen und am wachsenden Strombedarf im Zuge der Sektorenkopplungen beim gleichzeitigen bundesweiten massiven Rückbau gesicherter Leistung auf der elektrischen Stromseite.

5.1 Rahmenbedingungen der Dekarbonisierung der Wärmeversorgung

Für eine zügige Dekarbonisierung von verdichteten Ballungsräumen sind verbesserte politische Rahmenbedingungen für die weitere Vorstreckung und Verdichtung von Wärmenetzen sowie der Anbindung und Nutzung von Erneuerbaren Energiequellen zur Einspeisung in diese Netze erforderlich.

Auf nationaler Ebene sind dies:

  • Novelle der Wärmelieferverordnung (WärmeLV):
    Diese eigentlich dem Mieterschutz dienende Verordnung hat sich bundesweit zum Hemmnis zur weiteren Ablösung von fossilen Einzelfeuerungen durch effiziente Wärmenetze entwickelt und muss massiv novelliert oder gleich abgeschafft werden.
  • Verabschiedung einer geeigneten Bundesförderung effiziente Wärmenetze (BEW):
    Die BEW soll mittels Investitions- und Betriebskostenzuschüssen Erneuerbare Energietechnologien in Wärmenetze bringen und ist daher zeitnah sowie mit hinreichender finanzieller Ausstattung in geeigneter Form in Kraft zu setzen; in einer BEW können sowohl ein erforderliches Förderregime für Tiefengeothermie als auch die finanzielle Anbindungsunterstützung (inkl. „Ausfallbürgschaft“) von industrieller Abwärme verankert sein, klar zu regeln ist der Status von industrieller Abwärme als grüner Fernwärme.
  • Novelle der Umlagen- und Abgabensystematik:
    Um zunehmend kostengünstigen EE-Strom mittels Sektorkopplung in die Wärmeversorgung zu bringen, ist die auf Bundesebene gesetzlich geregelte Abgaben- und Umlagensystematik des „hochbelasteten“ (erneuerbaren) Stroms massiv zu novellieren.
  • Förderprogramm für den Wärmeleitungsausbau über 2030 hinaus:
    Um die Verdichtung im Bestand und den Ausbau am Rand des Fernwärmenetzes zu ermöglichen, ist ein Förderprogramm für den Wärmeleitungsausbau über 2030 hinaus erforderlich.
  • Zunehmende Verfügbarkeit von kostengünstigem grünem Wasserstoff:
    Spätestens in den 30er-Jahren wird ein schrittweiser Markthochlauf von zunächst marktnahem und später marktlichem grünem Wasserstoff erwartet; dann kann die mit zahlreichen Maßnahmen begonnene Dekarbonisierung der Fernwärme finalisiert werden. Eine Investitionskostenförderung von hocheffizienten grünen Wasserstoff-KWK-Technologien unterstützen den Markthochauf.

Unterstützende Maßnahmen der Stadt Köln:

  • Energieleitlinien der Stadt Köln für Gebäude:
    Die Energieleitlinien der Stadt Köln für kommunale als auch nicht-kommunale Gebäude sind derart auszugestalten, dass CO2-arme Technologien eingesetzt werden, die eine klare Dekarbonisierungsperspektive bis 2035 aufweisen.
  • Quartiersentwicklung:
    Bei neuen Quartieren und Quartierssanierungen werden Wärmenetze der 4. Generation (Niedertemperatur-Fernwärmenetze) installiert, was die Stadt im Rahmen der Bauleitplanung aktiv begleitet.
  • Schaffung von Baurecht:
    Mittels geeigneter z. B. Flächenausweisung für Solarthermie-Anlagen in der Nähe von bestehenden Wärmenetzen durch Stadt Köln kann die erneuerbare Wärmeversorgung unterstützt werden, ebenso wie bei genehmigungsrechtlichen Fragestellungen, wie z. B. bei der Tiefengeothermie.
  • Bauleitplanung:
    Bereits bei der Bauleitplanung und der festzulegenden Energieversorgung ist eine vorausschauende Sicht auf die lokal vorhandenen oder geplanten Versorgungsoptionen erforderlich, die perspektivisch durch Erneuerbare Energien erfolgen soll. In der Betrachtung müssen benachbarte Quartiere und Flächen berücksichtigt werden.
  • Sanierung im Bestand:
    Die Stadt unterstützt durch geeignete Maßnahmen (z. B. direkte Ansprache der Eigentümer, Fördermittel, …) die Umsetzung von Sanierungsmaßnahmen im Bestand.

Diese politischen Rahmenbedingungen/Veränderungen entsprechen Szenario 2.

5.2 Effiziente und klimaneutrale Wärmeerzeugung

Die RheinEnergie betreibt drei große Fernwärmenetze, zahlreiche Nahwärmenetze und versorgt im Kölner Norden Industriekunden mit Prozessdampf. Die Wärme (Fernwärme und Dampf) wurde im Jahr 2020 zu rd. 94 % in KWK-Anlagen erzeugt, davon rd. 12 % bereits klimaneutral durch den Bezug von Abwärme aus der Müllverbrennungsanlage und den Betrieb eigener Biogas-BHKW. Dadurch liegen die spez. CO2-Emissionen in der Wärme gegenüber fossilen Einzelfeuerungen bereits jetzt auf sehr niedrigem Niveau. Durch den Ausstieg aus der Braunkohleverbrennung (2025) und die Planung eines Wärmespeichers am Standort Merkenich erfolgen weitere konsequente Schritte zur Dekarbonisierung der Wärmeprodukte.

Die Nutzung von erneuerbarem elektrischem Strom mittels Großwärmepumpen und Power-to-Heat (PtH) ist in Planung. Die unter Kapitel 5.1 aufgezeigten Anpassungen werden zukünftig für einen CO2-reduzierenden Betrieb essenziell sein.

Die RheinEnergie nutzt schon heute eine Vielzahl an unterschiedlichen Wärmeerzeugungstechnologien. Von Holzpellets über Biomethan-BHKW bis Abwasserwärmepumpen betreibt die RheinEnergie deutschlandweit EE-Anlagen. Auch bei der Steuerung der Anlagen sucht die RheinEnergie neue Wege, um Energie optimal auszunutzen oder bereitzustellen, siehe Abschnitt „KI“.

Wo möglich, setzt die RheinEnergie Erneuerbare Energien ein. In diesem Zug hat die RheinEnergie eigene Potenzialanalysen im Rahmen von Studien durchgeführt, aber auch veröffentlichte Studien ausgewertet und weiterverfolgt. Basierend auf diesen Analysen wurden z. B. eine Suche nach geeigneten Flächen für Solarthermieanlagen gestartet, Eigentümer von Flächen angesprochen und Gespräche mit Industriekunden für den Erwerb von Abwärme geführt. Dies sind noch laufende Projekte.

Zur Dekarbonisierung der Wärme plant die RheinEnergie konkret den Kohleausstieg in Merkenich bis 2025 durch Optimierung und Modernisierung der vorhandenen GuD-KWK-Anlage sowie die optimierte Nutzung der Abwärme aus der angrenzenden Müllverbrennungsanlage.

Die Klimawende Köln lehnt neue Investitionen in fossile Kraftwerke ab. Stattdessen sollte die RheinEnergie erneut mit Ford in Dialog treten, um eine klimaneutrale Wärme- und Dampfversorgung für Ford ab 2025 zu planen und umzusetzen.

Klimawende Köln und RheinEnergie vereinbaren, möglichst 2021 ein gemeinsames Gespräch mit Ford Land über die Möglichkeiten einer Erneuerbaren Energieversorgung der Ford-Standorte in Köln zu führen.

Darüber hinaus plant die RheinEnergie den Bau von je einem Wärmespeicher im Netz Neue Stadt/Bocklemünd sowie Merheim, damit in allen drei großen Fernwärmenetzen ein energiewirtschaftlich optimal dimensionierter Speicher vorhanden ist. Dadurch können die aktuelle KWK-Erzeugungsstruktur in weiter optimierten Betriebszuständen gefahren und perspektivisch fluktuierende EE-Erzeugung verstärkt in das Wärmesystem integriert werden. Unter der Annahme der unter 5.1 genannten Rahmenbedingungen zu Szenario 2, plant die RheinEnergie die in Abbildung 1 genannten weiteren Maßnahmen zur Dekarbonisierung der Wärme bis 2035.

RheinEnergie Massnahmenübersicht für Transformation der Wärmeversorgung

Auf Basis der Annahmen von Szenario 2 zur zukünftigen Energiewirtschaft und deren Auswirkung auf die Erzeugungsanlagen der RheinEnergie erscheinen diese Maßnahmen im Gesamtkontext sowohl im Hinblick auf die Wirtschaftlichkeit als auch auf die gesteckten Ziele als das Gesamtoptimum an Maßnahmen. So können sich durch Änderungen in der Energiewirtschaft, dem Investitionsbedarf sowie der Förderhöhe entsprechende inhaltliche und zeitliche Abweichungen vom dargestellten Maßnahmenplan ergeben. Kurzfristig käme eine Solarthermie-Anlage in Merheim sowie im weiteren Zeitverlauf verschiedene Großwärmepumpen und PtH-Anlagen in den anderen beiden Fernwärmenetzen, synchron zu steigenden EE-Anteilen im Strommarkt. Bis 2028 ist zudem die Errichtung einer Klärschlammverbrennungsanlage geplant. Damit kann über das ganze Jahr gesehen die in der Anlage anfallende „überschüssige“ Energie sehr nachhaltig CO2-neutral als Fernwärme eingespeist werden. Als finaler Baustein ab 2030 dient ein steigender marktnaher grüner Wasserstoffanteil von jährlich zusätzlichen rund 20 % der verbliebenen fossilen Wärmeerzeugung für diejenigen Zeiten, in denen kein ausreichendendes erneuerbares Strom-Dargebot vorliegt. 2035 ist die Umstellung der KWK-Anlagen/aller (Heiz)-Anlagen auf 100 % grünen Wasserstoff abgeschlossen. In Szenario 3 erfolgen o. g. Umstellungen in zeitlich kürzeren Schritten. In Szenario 1 erfolgen die voraussichtlichen Investitionen in die Wärmespeicher, Solarthermie und Klärschlammverbrennung, weitere Investitionen in Dekarbonisierungs-Technologien zeitlich verzögert.

Tiefengeothermie-Potenziale bieten weitere Chancen zur Dekarbonisierung der Wärmeversorgung; RheinEnergie wird den Erfahrungsaustausch mit dem aktuell gestarteten Tiefengeothermieprojekt in Düsseldorf und Duisburg und den Austausch mit dem Tiefengeothermie-Experten Prof. Bracke aktiv suchen (2021/22). Im Falle einer positiven Aussicht, wird ein entsprechendes Gutachten/Studie beauftragt (2022). Bei einem positiven Ergebnis wird die RheinEnergie, sofern genehmigungsrechtlich möglich, Tiefengeothermie in die Wärmeversorgung einbeziehen, möglichst bis 2030.

Die RheinEnergie wird weiterhin aktiv nach industriellen und gewerblichen Abwärmequellen (-> grüne Fernwärme) suchen und deren – wenn möglich – wirtschaftlichen Potenziale erschließen.

100 % dekarbonisierte Fernwärmeversorgung nach 2035 ist komplett darstellbar sowohl durch grüne H2-Kraft-Wärme-Kopplung (bei „Dunkelflaute“), als auch alternativ durch andere grüne Wärmequellen, z. B. Großwärmepumpen, Solarthermie, Power-to-Heat, tiefe Geothermie (bei ausreichender Verfügbarkeit von grünem Strom ist kein Betrieb der KWK-Anlagen notwendig).

5.3 Fernwärmenetzausbau

Sowohl aus ökonomischer als auch technischer Sicht ist im Geschosswohnungsbau eine flächendeckende Dekarbonisierung auf Objektebene durch z. B. Wärmepumpen oder Solarthermie nur bedingt umsetzbar. Erforderliche Flächen sind knapp und teuer. Die vorhandene Wärmenetzinfrastruktur und deren Ausbau ermöglicht eine Dekarbonisierung in einem technisch und ökonomisch wesentlich interessanteren Maßstab. Sie erlaubt die Kopplung verschiedenster (EE-)Technologien, das Einsammeln von Abwärme und einen besseren Ausgleich von Last und Erzeugung.

Mit jedem Anschluss von mit fossilen Energieträgern beheizten Bestandsgebäuden an das Fernwärmenetz wird CO2 eingespart. Aufgrund der Entfernung zwischen Fernwärmenetz und potenziellem Gebäude/Gebiet ist nicht jeder Anschluss wirtschaftlich darstellbar.

Aufgrund der eingeführten CO2-Bepreisung, der verstärkten Kundenanfragen und der positiver eingestellten politischen Kulisse aktualisiert die RheinEnergie zurzeit ihre Fernwärmeausbaustrategie. Dabei spielt insbesondere bei Vorstreckungs- und Erschließungsmaßnahmen die Möglichkeit einer Verdichtung in der Bestandsbebauung entlang neuer Trassen eine wichtige Rolle (s. WärmeLV aus Kap. 5.1), um zu einer bezahlbaren umfassenden Dekarbonisierung zu gelangen.

Quartiersweise ausgerichtete Sanierungsoffensive

(dies erfordert eine konzertierte Aktion der Immobilieneigentümer, Mieter, Fördermittelgeber, Stadt, RheinEnergie, …)

Klimawende Köln und RheinEnergie würden eine stadtweite konzertierte Gebäude-Sanierungsoffensive, vergleichbar der beschriebenen Solaroffensive, begrüßen, die es der RheinEnergie ermöglichen würde, bestehende Wärmenetze abschnittweise so zu transformieren, dass eine energieeffizientere und CO2-ärmere bzw. -freie Wärmeversorgung früher möglich wird. Wesentliche Akteure dabei wären die Stadt Köln, die Gebäudeeigentümer (z. B. Wohnungsgesellschaften), Mieterorganisationen und überkommunale Fördergeber.

Dazu analysiert die RheinEnergie proaktiv ihre Fernwärmenetze auf technische Machbarkeit und Voraussetzung für die Umsetzung von Subnetzen und Temperaturabsenkungen im Rahmen einer Studie. Die in der Studie als wirtschaftlich (inkl. der Berücksichtigung von Fördermitteln) machbar festgestellten Maßnahmen werden sukzessive bis 2035 umgesetzt – bis 2030 dort, wo bis dahin möglich, mindestens auf die 3. Generation Fernwärmenetze (wenn möglich auf die 4. Generation). Verminderte Vorlauftemperaturen unterstützen das zukünftige EE-lastigere Wärmenetz; entsprechend dem Fortgang der Gebäudesanierung und den technischen Gegebenheiten verbessert die RheinEnergie die Energieeffizienz in ihren Wärmenetzen. Erstrebenswert wäre es, das komplette Fernwärmenetz auf die 4. Generation umzustellen.

Sofern die technischen Anforderungen (Temperatur, …) erfüllt sind, ist die Einspeisung Dritter auf Basis erneuerbarer Wärme möglich. Abseits bestehender zentraler Wärmeversorgungssysteme schlägt RheinEnergie den Investoren Wärmeversorgungssysteme der 4. bis 5. Generation vor.

5.4 Energieeffizienz

Die Flächenpotenziale in einer Großstadt wie Köln sind sehr begrenzt, weshalb der Energieeffizienz auch weiterhin eine große Bedeutung zukommt. Dabei spielen die Gebäude die Hauptrolle. Ohne Gebäudesanierungen mit großer Tiefe wird die Wärmewende nicht gelingen. Zum einen muss die Heizlast aufgrund des (noch) knappen EE-Angebots reduziert werden, und zum anderen muss die Wärmeverteilung in den Gebäuden dahingehend geändert werden, dass die Wärmebereitstellung mit geringeren Temperaturen erfolgen kann. Diese dringend nötigen Umbaumaßnahmen kann die RheinEnergie nicht allein vornehmen und ist deshalb auf die Stadtgesellschaft, Immobilieneigentümer und Politik angewiesen. Im kleinen Maße müssen auch die Anlageneffizienz und die Energieeinsparungen bei der Verteilung der Wärme gesteigert werden.

Anlage 1 Eckpunktepapier der Beschlussvorlage 3762 / 2021