
Herkunftsnachweise: wie aus Kohlestrom Ökostrom wird
Wer bei seinem Stromanbieter „Ökostrom“ bezieht, tut etwas für den Klimaschutz. Oder? Leider nicht immer. Durch den Zukauf von sogenannten Ökostrom-Herkunftsnachweisen wird Strom aus Kohle- und Atomkraftwerken einfach „grün“ umetikettiert und oftmals teurer verkauft. Das ist nicht nur eine Täuschung der Verbraucher:innen, sondern hemmt auch den Ausbau erneuerbarer Energien.
In diesem Blog-Beitrag werfen wir zunächst einen Blick auf den Strommarkt und den Handel mit Herkunftsnachweisen [HKN]. Dann zeigen wir auf, wie die RheinEnergie auf dem Strommarkt agiert.
Was ist „Graustrom“?
Der Großteil des Stroms wird an der Strombörse als sogenannter Graustrom gehandelt. Er heißt Graustrom, weil die Herkunft des Stroms den Verbraucher:innen unbekannt ist. Es gibt daneben aber auch und immer häufiger Direktstromlieferverträge, z.B. zwischen Windkraft-Anlagen-Betreiber:innen und Stadtwerken. Dieser Strom ist nicht „grau“, da eine direkte Beziehung zwischen Erzeuger:in und Verbraucher:in besteht und sich daher leicht nachvollziehen lässt, wo und wie der Strom erzeugt wurde.
Der Strommarkt
Der Strommarkt ist sehr komplex. Wir veranschaulichen ihn hier mit dem vereinfachten Modell des „Stromsees“. Alle Stromerzeuger speisen den Stromsee (bzw. das Stromnetz). Große Strommengen stammen bisher aus Atomkraftwerken und Kohlekraftwerken. Diese erzeugen nicht nur Strom, sondern auch radioaktiven Atommüll und große Mengen an CO2, das zur Erderhitzung beiträgt.

Dieser Stromsee wird aber immer „grüner“, denn von Jahr zu Jahr wird mehr Strom aus erneuerbaren Energien wie Windkraft, Fotovoltaik, Wasserkraft und Biomasse eingespeist. Aktuell liegt der Anteil an erneuerbaren Energien in Deutschland bei 52 %.
Der Strom fließt an die Verbraucher:innen ab: die privaten Stromkund:innen, das Gewerbe und die Industrie. Energieversorgungsunternehmen (EVU) können sowohl Erzeuger als auch Verbraucher sein und sie können auch Strom untereinander handeln.
Das Erneuerbare-Energien-Gesetz [EEG]
Das EEG regelt seit dem 1. April 2000 in Deutschland die bevorzugte Einspeisung von Strom aus erneuerbaren Quellen ins Stromnetz („Einspeisevorrang“). Außerdem garantiert es Erzeuger:innen feste Einspeisevergütungen für neu errichtete Erneuerbare-Energie-Anlagen. Mit diesem Gesetz konnte der Anteil an erneuerbaren Energien (EE) an der Nettostromerzeugung von 8,6 % in 2002 auf 46,1 % in 2019 gesteigert werden. Das EEG hat den erneuerbaren Energien also zum Durchbruch verholfen – nicht nur in Deutschland, sondern weltweit, da in über 60 Ländern der Welt vergleichbare Gesetze eingeführt wurden.
Und weil die EE-Anlagen in immer größerer Stückzahl installiert wurden, ist der Herstellungspreis dieser Anlagen drastisch gesunken. Daher hat die Politik in den letzten Jahren die EEG-Einspeisevergütung mehrfach reduziert. Dazu kommt, dass die feste Einspeisevergütung nur für maximal 20 Jahre gilt – die ersten EEG-Anlagen werden im nächsten Jahr aus der Förderung herausfallen. Bis 2025 werden z.B. 176.000 Fotovoltaik-Anlagen nicht mehr gefördert.
Erfreulich ist, dass mittlerweile der Markt für Ökostrom auch außerhalb der EEG-Förderung boomt. Allein 2019 wurde in Deutschland die beeindruckende Menge von mehr als 100 Milliarden Kilowattstunden Ökostrom gehandelt.
Herkunftsnachweise [HKN]
Für Strom aus Erneuerbare-Energie-Anlagen können sogenannte Herkunftsnachweise (HKN) ausgestellt werden, die separat von eigentlichen Strom gehandelt werden können. Mit diese HKN soll auch eine Doppelvermarktung von Strom aus Erneuerbare-Energie-Anlagen verhindert werden. Wegen des Doppelvermarktungsverbotes erhalten Anlagen, die durch das EEG gefördert werden, keine HKN – dieser Strom wird an der Börse als Graustrom gehandelt.
Alte EE-Anlagen die nach 20 Jahren keine EEG-Förderung mehr erhalten, oder neue EE-Anlagen, die nicht nach EEG gefördert werden, erhalten HKN. Die HKN für EE-Anlagen aus Deutschland werden vom Umweltbundesamt ausgestellt und europaweit gehandelt.
Das Problem: Die HKN können losgelöst von der physikalischen Stromlieferung gehandelt werden
Das heißt, dass z.B. ein norwegischer Wasserkraftwerks-Betreiber seinen Strom vor Ort und den HKN an einen Betreiber eines Braunkohlekraftwerkes in Deutschland verkaufen darf. Dieser wiederum darf dann seinen Strom offiziell als „Ökostrom“ verkaufen – obwohl es sich gar nicht um solchen handelt. Die Umetikettierung von Kohlestrom mit HKN zu „Ökostrom“ sehen wir als Verbrauchertäuschung. Sie hilft dem Klima nicht, weil dadurch kein CO2 eingespart wird.
Hinzu kommt, dass dieses System nicht zum Ausbau der Erneuerbare-Energien-Anlagen in Deutschland beiträgt: Da es bisher europaweit (durch viele alte Wasserkraftwerke in Skandinavien und in den Alpenländern) ausreichend HKN gibt, sind diese für die Energieversorger sehr günstig zu erwerben (ca. 0,02 Cent/kWh). Strom aus fossilen Energieträgern mit hinzugekauften HKN umzulabeln, ist daher deutlich billiger für die Energieversorgungsunternehmen, als neue EE-Anlagen zu errichten und selbst echten Ökostrom zu produzieren.
Verbraucher:innen werden doppelt getäuscht
Wer sich bewusst für Ökostrom entscheidet und dafür in der Regel mehr Geld bezahlt, unterstützt mit den „durch Herkunftsnachweisen grün gefärbten“ Strom unfreiwillig den Weiterbetrieb von Kohle- und Erdgas-Kraftwerken.
Constantin Zerger von der Deutschen Umwelthilfe schreibt dazu am 8.10.2020 im Klimareporter:
„Es gibt eine Vielzahl großer Unternehmen, die mit Ökostrom-Strategien oder gar 100 Prozent erneuerbarem Strom werben. Beispiele sind die Deutsche Bahn („100 Prozent Ökostrom im Fernverkehr“), Siemens („bis 2030 CO2-neutral“) oder der Discounter Lidl („100 Prozent Grünstrom aus Wasserkraft“). Die überwältigende Mehrheit des ,Ökostromsʽ dieser drei Beispiele stammt aus dem beschriebenen Einsatz von Herkunftsnachweisen zu Ramsch-Preisen. […]
Handelt es sich um eine bloße ,Begrünungʽ günstig beschaffter Strommengen mit Herkunftsnachweisen, ist es Etikettenschwindel und Greenwashing. Die Nachfrage der Kunden führt dann nicht zu mehr Ökostrom, sondern nur zu einem Verschiebebahnhof ohne Klimawirkung.“
Klimawende Köln spricht sich deshalb für die „Kopplung der HKN und des EE-Stromkaufs“ aus
Das heißt, dass die physikalischen Stromlieferungen und die Herkunftsnachweise in solchen Fällen von demselben Erzeuger von erneuerbarem Strom stammen.
Und was macht die RheinEnergie?
Unsere regionale Energieversorgerin hat die Energiewende verschlafen und ist daher leider kein Vorbild in Sachen Klimaschutz. Die RheinEnergie erzeugt Strom im Steinkohlekraftwerk Rostock, im Braunkohlekraftwerk Merkenich und in den Kölner Erdgaskraftwerken in Niehl, Merkenich und Merheim sowie in zahlreichen Blockheizkraftwerken. Nur 5,9 % ihres Stroms erzeugte die RheinEnergie 2019 in eigenen Erneuerbare-Energie-Anlagen, basierend auf z.B. Windkraft, Fotovoltaik, Biomasse und im solarthermischen Kraftwerk Andasol in Spanien.
Daneben kauft die RheinEnergie erneuerbaren Strom von anderen Anbietern. Den größten Teil ihres Stroms kauft die RheinEnergie nach unserer Kenntnis als Graustrom an der Strombörse.



Der Großteil der Kunden der RheinEnergie bezieht Graustrom über die Tarife „FairRegio Strom basis“ und „FairRegio Strom plus“. Nur ein kleiner Teil erhält echten Ökostrom über den Tarif „FairRegio Strom plus: Rheinland-Option Strom“.
Diesen regionalen Ökostrom-Tarif der RheinEnergie für Privatkunden bewerten wir sehr positiv.
Hier garantiert die RheinEnergie, dass der gelieferte Strom in Erneuerbare-Energie-Anlagen in einem Umkreis von 50 km rund um Köln erzeugt wird. Dass die Menge des verkauften Stroms der Menge des erzeugten Stroms entspricht, wird jährlich durch einen unabhängigen Gutachter überprüft und bescheinigt. Es handelt sich hier also in der Tat nicht um grün etikettierten Graustrom, sondern echten Ökostrom. Allerdings ist dieser Tarif, auch im Vergleich zu den Tarifen echter Ökostromanbieter, recht teuer, sodass sich vermutlich nur wenige Kölner:innen dafür entscheiden werden. Daher erwarten wir nur eine geringe Wirkung auf den Ausbau von EE-Anlagen im Umland.
Ein positives Beispiel sind die Kölner Verkehrsbetriebe (KVB), die schon seit 2016 ihre Straßenbahnen zu 100 % mit echtem Ökostrom der RheinEnergie betreiben.
Da die RheinEnergie Anteile an den Stadtwerken in Gummersbach, Bergisch Gladbach, Leverkusen, Dormagen, Lohmar, Leichlingen, Pulheim, Sankt Augustin, Troisdorf und Bonn hält, gehen wir davon aus, dass mit diesen Stadtwerken auch Stromlieferverträge bestehen. An dieser Stelle wird deutlich, wie wirkmächtig unser Bürgerbegehren ist. Denn wenn unsere Forderung umgesetzt wird, darf die RheinEnergie ab 2030 auch diesen Stadtwerken nur noch 100 % echten Ökostrom liefern.
Klimawende Köln fordert von der RheinEnergie AG:
- Die RheinEnergie soll verstärkt in den Ausbau von Erneuerbare-Energie-Anlagen investieren und diese Anlagen selbst betreiben.
- Wenn die RheinEnergie mit Erneuerbare-Energie-Anlagenbetreibern Direktstromlieferverträge abschließt, sollte sie auch die Herkunftsnachweise für diese Anlagen kaufen und so dafür sorgen, dass diese HKN nicht mehr für Strom aus fossilen Quellen verwendet werden.
- Die RheinEnergie soll bis spätestens 2030 keinen Strom aus Kohle- oder Erdgaskraftwerken mehr erzeugen oder zukaufen.
- Klimawende Köln fordert die Kopplung der Herkunftsnachweise mit dem Kauf von Strom aus erneuerbaren Energien. Das heißt, dass die physikalischen Stromlieferungen und die Herkunftsnachweise in solchen Fällen von demselben Erzeuger von erneuerbarem Strom stammen müssen.
- Das Umetikettieren von fossilem Strom mit Herkunftsnachweisen lehnen wir ab, diese Praxis muss aufhören!