Stellungnahme zum Steinkamp Interview im Kölner Stadtanzeiger vom 23./24.05.2020
von Christian Althoff

Der Klimawandel schreitet in Deutschland und der Welt rasant voran. Wir steuern auf den dritten Dürresommer in Folge zu. Dass der Klimawandel menschengemacht ist, ist in ernsthaften wissenschaftlichen Kreisen Konsens. In unserer Auftaktveranstaltung am 16.01.2020 hat Hannah Fekete vom NewClimate Institute aufgezeigt, dass Deutschland bis 2030 klimaneutral werden muss, um das in Paris beschlossene 1,5°C-Ziel noch zu erreichen. Dazu müssen wir unsere CO2-Emissionen drastisch senken. Wir besitzen in Deutschland sowohl die Technik, das Know How als auch die finanziellen Möglichkeiten, um den notwendigen Wandel voranzutreiben. Das wird enorme Anstrengungen kosten, aber auch Arbeitsplätze schaffen und Deutschland die Technologieführerschaft im Bereich erneuerbarer Energie zurückgeben, die es in den letzten Jahren verspielt hat.

Im Bereich Strom schreitet die Energiewende in Deutschland überraschend schnell voran. 2018 lag der Anteil der erneuerbaren Energie bei 40,6 %, 2019 bei 46,0 % und 2020 aktuell bei 56,3 % (1). Und das, obwohl die Bundesregierung durch eine überzogene Abstandsregelung für Windkraftanlagen, durch die gerade erst aufgegebene Deckelung der Photovoltaik-Förderung, einem komplizierten Mieterstrommodell, einer Deckelung von eigengenutzten Photovoltaik-Anlagen bei 10 kWp, etc., den Ausbau der erneuerbaren Energie bewusst stark ausgebremst hat.

Sollte es bei der nächsten Bundestagswahl zu einer Beteiligung der Grünen an der Bundesregierung kommen, ist mit dem Abbau vieler Hindernisse beim Ausbau der erneuerbaren Energie zu rechnen. 100 % erneuerbarer Strom ab 2030, so wie wir das von der RheinEnergie fordern, ist dann auf Bundesebene nicht unwahrscheinlich. Gut, wenn sich die RheinEnergie als kommunale Grundversorgerin in Köln schon heute darauf einstellt. Leider scheint das, nach dem Interview vom Kölner Stadtanzeiger mit dem Vorstandsvorsitzenden der RheinEnergie AG, Herrn Dr. Steinkamp vom 23.05.2020, noch nicht der Fall zu sein.

Wie grün ist die RheinEnergie?
Wir begrüßen das Engagement der RheinEnergie, und wir finden es gut, dass sie zukünftig in der Region verstärkt erneuerbare Energie ausbauen möchte. Die bisherigen Investitionen in diese Energieform in Höhe von 370 Mio. € sind ein guter Anfang. Weitere 100 Mio € bis 2025 sind aber deutlich zu wenig. Zeitgleich hat die RheinEnergie 2017 350 Mio. € in das Gaskraftwerk Niehl 3 und  2019  30 Mio. € in das Gaskraftwerk Merheim investiert.Klimawende Köln fordert den Stopp der Investitionen in fossile Anlagen, weil wir 2030 klimaneutral sein müssen.

Vertreter der Klimawende Köln haben die Stromerzeugungszahlen der RheinEnergie genauer untersucht: der Anteil erneuerbarer Energie an der eigenen Stromerzeugung betrug 2018 bei der RheinEnergie nur 5,6 %. Das ist erschreckend wenig, wenn man sich die oben genannten Zahlen von Deutschland vor Augen hält. 68 % des selbsterzeugten Stroms stammen aus den Erdgaskraftwerken Niehl, Merkenich und Merheim und knapp 27 % aus den Kohlekraftwerken in Rostock und Merkenich.(2)

Fossile Energie ist längst nicht mehr wirtschaftlich    
Herr Dr. Steinkamp sagt in seinem Interview, dass moderne Kohlekraftwerke vor 10 Jahren noch als Zeichen für den Klimaschutz galten. Heute seien sie „vollkommen aus der Zeit“ gefallen. Aus eigener Erfahrung weiß er, dass das Kohlekraftwerk in Rostock, an dem die RheinEnergie zu 49,6 % beteiligt ist, seit Februar wegen Unwirtschaftlichkeit außer Betrieb ist. Im Norden Deutschlands gibt es viel Windenergie. Das Kohlekraftwerk lief selten – nämlich nur, wenn kein Wind wehte. Das ist nicht wirtschaftlich. Ähnlich wird es den Gaskraftwerken in Köln ergehen, wenn der Anteil der erneuerbaren Energie auch in NRW zunimmt. Wahrscheinlich werden die Kraftwerke als Notreserve dienen und nur dann laufen, wenn keine erneuerbare Energie zur Verfügung steht. Auch diese Kraftwerke werden unwirtschaftlich, wenn es nicht zusätzliche Gelder für die Bereitstellung von Regelenergie gibt.

Fossile Fernwärme als Auslaufmodell
Was aber geschieht mit den Fernwärmekunden, wenn erneuerbare Energie beim Strom ausreichend zur Verfügung steht? Dann wird kein Strom aus den Kraftwärmekopplungskraftwerken der RheinEnergie benötigt und es entsteht keine Abfallwärme bzw. Fernwärme. Hier muss dringend nach einem nachhaltigen Ersatz der Wärme gesucht werden.

Insgesamt ist die Aussage, dass Fernwärme aus Kraftwärmekopplung weniger CO2 produziert als andere fossile Heizsysteme, ein Taschenspielertrick. Bisher wurde argumentiert, dass die CO2-ärmeren Kraftwärmekopplungs-Kraftwerke (bei Gas- und Dampfturbinen ca. 310 g/kWh) die CO2-intensiveren Kohlekraftwerke (ca. 1.000 g/kWh) aus dem Netz drücken. Dadurch würde CO2 eingespart. Durch den hohen erneuerbaren Anteil im deutschen Strommix liegen die CO2-Emissionen aber häufig unter den 310 g/kWh Strom, den die besseren RheinEnergie-Kraftwerke emittieren. Dadurch erhöhen diese Kraftwerke schon heute die Emissionen des Strommixes in Deutschland häufig. Wenn der erneuerbare Anteil beim Strom weiter steigt, werden die Kraftwerke zunehmend zu Dreckschleudern. Einfache fossile, dezentrale Gasbrennwertthermen emittieren übrigens nur 200 g/kWh. Für den Klimawandel ist es bei steigendem erneuerbaren Strom im Netz also besser, die alte Heizung im Keller gegen eine moderne Brennwerttherme auszutauschen. Das ist einfacher und deutlich günstiger als der Anschluss an das fossile Fernwärmenetz.

Dennoch macht Fernwärme Sinn, wenn sie sich aus erneuerbarer Energie oder industrieller Abwärme speist. Hier muss die RheinEnergie mit Hochdruck an Konzepten arbeiten, wie sie ihr Fernwärmenetz zukunftsfähig umbaut.

Ergänzend: Aus der Umwelterklärung der RheinEnergie von 2014 bis 2016 kann man errechnen, dass der Gas- und Dampf Block in Merkenich pro Kilowattstunde zwischen 325 bis 340 g CO2 und der Braunkohleblock zwischen 560 und 625 g CO2 emittiert. Am Standort Niehl liegt der Wert zwischen 270 bis 300 g CO2 pro Kilowattstunde. Wie gesagt, eine Brennwerttherme emittiert hingegen „nur“ 200 g CO2 pro Kilowattstunde. Mit der Umstellung auf Fernwärme, die mittels fossiler Brennstoffe erzeugt wird, spart man also kein CO2. Ganz im Gegenteil, es wird mehr CO2 emittiert. Ein riesiges CO2-Einsparpotential durch fossile Fernwärme gibt es nicht.

Neue Energiekonzepte – am Beispiel Ford
Unseres Wissens wird die Fernwärme bei Ford lediglich zum Heizen der Hallen eingesetzt. Dies ist eine sehr unwirtschaftliche Heizart. Allein mit der Umstellung auf moderne fossile Heizungstechnik könnte Ford die Hälfte seiner Heizenergie, und der damit verbundenen CO2-Emissionen, einsparen. Das wäre auch gut für die Kosten und würde die Arbeitsplätze sicher besser sichern als die veraltete Heiztechnik über Konvektionsheizungsanlagen. Noch besser wäre natürlich, wenn Ford ein Konzept zur Umstellung auf regenerative Energie erstellt und umsetzt. Ford besitzt riesige Dachflächen, und auch die Parkplätze könnten mit Photovoltaikanlagen ausgestattet werden. Dann ständen die PKW im Schatten und könnten Tags über mit sauberem Strom geladen werden. Ford will den Kölner Standort zum Elektromobilitätsstandort ausbauen, da passt ein Photovoltaikkonzept gut hinzu.

erneuerbare Energie Potential in Köln

Laut einer Studie vom Landesamt für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz (LANUV) gibt es in Köln ein enormes Potential an Photovoltaik (siehe Grafik), das bisher nur zu 1,4 % genutzt wird. Dieses Potential gilt es in den nächsten Jahren zu heben. Das kann kein Einzelunternehmen, wie die RheinEnergie, alleine stemmen. Vielmehr gilt es heute möglichst viele Akteure zum Mitmachen zu bewegen. Die RheinEnergie und ihre Tochter, die Rheinische Netzgesellschaft, sind zwei wichtige Akteure, die die Bedingungen schaffen können, dass möglichst viele Gebäudebesitzer ihre Dächer mit Photovoltaik-Anlagen ausstatten. Leider liest sich das Interview mit Herrn Steinkamp genau gegenteilig. Man will an den alten Gaskraftwerken festhalten. Zusätzliche Photovoltaik wird wohl eher als Konkurrenz gesehen, die will man nicht fördern.

Großer Nachholbedarf bei der RheinEnergie
Herr Steinkamp erweckt in seinem Interview den Eindruck, als brauche man bei der RheinEnergie nicht viel zu tun, und man sei schon auf dem richtigen Weg. Er sagt, dass die RheinEnergie 47,5 % erneuerbare Energie liefert. Unsere Frage, wie sich diese 47,5 % zusammensetzen, hat die RheinEnergie bis heute nicht beantwortet. Ihre eigene Stromproduktion deckt sie, wie schon gesagt, lediglich zu 5,6 % aus erneuerbarer Energie. Wie sich die RheinEnergie mit ihren Kraftwerken bei einem 100 % erneuerbaren Strommarkt aufstellen will, erfährt man von ihm nicht. In 10 Jahren wird man wahrscheinlich die Feststellung machen, dass die damals als so modern geltenden Gas- und Dampf Kraftwärmekopplungsanlagen „vollkommen aus der Zeit gefallen“ sind.
Wir versuchen seit Februar einen Termin mit der RheinEnergie zu bekommen, um mit ihr über unsere Vorstellungen einer modernen Energieversorgung für Köln zu diskutieren. Auch ein Fragenkatalog ist noch nicht vollständig beantwortet, und unsere Anfrage nach aktuellen Zahlen zu Strom- und Wärmelieferungen, eingesetzten Brennstoffen und CO2-Emissionen ist weiter offen.

Angesichts des auch in Köln ausgerufenen Klimanotstands wäre es ein echtes Zeichen, wenn die RheinEnergie einen Vorstandsvorsitzenden hätte, der sich mit dem Thema erneuerbare Energie ernsthaft auseinander setzt und für den Konzern eine zukunftsweisende Perspektive aufzeigt. Derzeit scheint man bei der RheinEnergie in alten Denkmustern und alter Technik verhaftet zu sein.

Was wir brauchen, ist eine moderne und innovative RheinEnergie. Wir haben in Köln das Glück, einen städtischen Energieversorger zu haben. Eigentlich sollte uns damit ein Wandel zu einer nachhaltigen Energieversorgung gelingen. Zurzeit ist dieser Wandel jedoch noch nicht zu erkennen.

(1) Fraunhofer ISE Energy Charts https://www.energy-charts.de/energy_pie_de.htm
(2) eigene Berechnungen mit bestätigten Zahlen der RheinEnergie